Nach 4 Wochen verabschieden wir uns aus Gargnäs, wir haben uns schon ganz heimisch gefühlt. Die Leute aus dem Dorf haben uns schon angesprochen, haben sogar schwedisch mit uns geredet und nicht sofort ins Englische gewechselt. Wenns am schönsten ist soll man gehen und deshalb machen wir uns auf den Weg zur Küste. Wir steuern den Campingplatz in Umeå an, der leider sehr verkehrsgünstig liegt. Dafür ist die Infrastruktur sehr gut, und für die wenigen Campinggäste sehr gut ausgestattet. In der Hochsaison dürfte das etwas anders aussehen... Von den vier Waschmaschinen ist eine defekt, das hat in Schweden eine jahrtausendealte Tradition, eine Reparatur will seeeeeehr lange und reiflich überlegt sein! In der Nebensaison ist das ja auch kein Problem, vor allem, wenn man nicht direkt am Folgetag abreisen will und nicht nur den Nachmittag und Abend nutzen kann sondern am Vormittag alle Maschinen belagern kann. Ich kann mich also richtig austoben und auch die beiden Trockner stehen mir (erst mal) alleine zur Verfügung.
Am Nachmittag suchen wir den Weg ins Zentrum und lernen die weniger schönen Stadtteile von Umeå kennen, bis wir die Einkaufsmeile erreichen. Allerdings entdecken wir auch ein Haus, das mit vielen gehäkelten Rechtecken verkleidet ist, das sieht nach Pippi Langstrumpf aus und beherbergt ein „Familiencafe“. Den Outdoor-Laden finden wir nicht auf Anhieb, erst nach der Internet-Recherche, dafür bekommen wir noch einige Kleinigkeiten, die wir beim Großeinkauf am Montag übersehen oder auch nicht bekommen haben. Und im Telefonladen treffen wir einen Schweden mit Migrationshintergrund, sein Vater stammt aus Graz. Weil er sich mit uns Deutsch unterhalten kann macht er uns auch einen guten Preis für die schwedische Telefon-Karte, das finde ich sehr nett von ihm.
Am Donnerstag setzen wir die Reise fort bis Örnsköldsvik, genannt Öviken. Dort gibt es einen Fjäll Räven Outlet, in einem Laden der Kette Naturkompaniet. Die Recherchen im Internet zu den Preisnachlässen hat gezeigt, dass nicht alle Rabatte im Internet veröffentlicht werden, der Laden bietet sehr viel mehr. Das war genial für uns, wir werden fündig und rüsten uns für richtig kalte Winter aus, sowohl Jacken als auch Hose, Schuhe und Mützen wechseln die Besitzer und glücklich und zufrieden verlassen wir den Laden. Der Campingplatz Gullvik liegt sehr schön an einer einsamen Bucht mit Sandstrand (was bei etwa 12 °C nicht wirklich ausschlaggebend ist) und wirkt im ersten Moment sehr ruhig. Gegen Abend und am nächsten Morgen wird deutlich, dass der Platz von vielen Arbeitern belegt ist, die morgens zwischen 6 und 8:30 Uhr abfahren. Als wir nach dem Aufstehen verzweifelt bzw. vergeblich versuchen, die Sicherung am Stromkasten wieder zu aktivieren und die anderen Stromanschlüsse ebenfalls nicht funktionieren gibt uns die Nachbarin freundlicherweise den Hinweis, dass gerade der Strom ausgefallen ist. Das vereinfacht die Frage, ob wir eine zweite Nacht bleiben wollen und so reisen wir gegen Mittag ab, mit einem zweiten Zwischenstopp bei Naturkompaniet und der Vervollständigung unserer Ausrüstung.
Der Plan, sich die Höga Kusten näher anzusehen fällt leider dem bedeckten Himmel und dem Nieselregen zum Opfer, wir fahren weiter bis Sundsvall, wieder auf einen verkehrsgünstigen Campingplatz, dafür mit einem freundlichen und (etwas zu) redseligen älteren Herrn an der Rezeption und warmen, sauberen Sanitäranlagen.
Habe ich schon von den faszinierenden Farben der Wälder geschwärmt? An jeder einzelnen Straße bietet sich immer wieder ein aufregendes Bild von Wäldern, die in allen Gelb- und Rottönen schimmern, mitten in grünen Nadelwäldern, ich genieße diese unglaublich schöne Natur jeden Tag aufs Neue!
Der Platz in Sundsvall ist zwar verkehrsgünstig gelegen, d.h. man hört den Verkehr sehr laut, aber der terrassenförmig angelegte Platz hat seinen Reiz. Man kann sehr schön spazieren gehen zu den nächsten Orten, Richtung Sundsvall im Norden kehren wir an der Metallverarbeitenden Fabrik um, Richtung Süden führt der Rad- und Fußweg „Strandleden“ erst an der Bucht entlang, dann an einer chemischen Fabrik vorbei. Wenn man das mal hinter sich hat findet man noch ein wunderschönes Plätzchen an der Ostsee in einer Bucht, windgeschützt und (endlich) mit herrlichem Sonnenschein. Das ist schon eher nach unserem Geschmack. Vielleicht kann man ja mal mit dem Bus nach Sundsvall reinfahren, zum Spazieren ist es doch etwas zu weit - dachten wir. Als am Nachmittag eine Gruppe von Transportern auf dem Campingplatz einfällt, „The Best of British“, überlegen wir noch einmal genauer. Es sind zu meinem Glück wieder ausschließlich Männer, so dass die Damenabteilung des Sanitärgebäudes nicht „betroffen“ ist - in der Nebensaison sind einige Toiletten / Duschen abgeschlossen, was die Reinigung vereinfacht und das Gedränge am Morgen erhöht. Viele Menschen auf wenigen Sanitäreinheiten verteilt bedeutet auch ein höheres Schmutzpotential, was vor allem von männlichen Gruppen intensiv ausgeschöpft wird. Das, was mich tatsächlich tangiert, sind allerdings die Fahrzeuge, die die Gruppe auf den Plätzen direkt um uns herum verteilen. Deren Kühlaggregate übertönen sogar noch den Verkehrslärm der Autobahn! Deshalb streichen wir den Ausflug nach Sundsvall und entscheiden uns, weiter nach Söderhamn zu fahren.
Der Weg nach Söderhamn ist nicht weit, wir kommen am frühen Nachmittag auf der Halbinsel direkt an der Ostsee an. Der Platz liegt in Sandarne, also nicht direkt in Söderhamn. Wir finden einen Platz in der Sonne, was inzwischen etwas schwieriger wird. Die Campingplätze sind meistens von Bäumen umsäumt oder durchzogen, was im Hochsommer sehr vorteilhaft ist. Jetzt im Herbst steht die Sonne sehr tief und kommt über die hohen Bäume kaum noch drüber, deshalb wählen wir keinen Platz direkt am Strand sondern mitten drin, am weitesten von den Bäumen entfernt. In der Nachsaison sind die Plätze billiger, hier gibt es auch ein Sonderangebot für 3 Nächte bleiben, 2 Nächte zahlen. Die erste Dusche fällt bei mir lauwarm aus, glücklicherweise funktioniert zumindest eine der drei Duschen dann doch richtig und die nächsten beiden Morgen beginnen mit einer heißen Dusche. Das Problem haben wir in Schweden schon öfter mitbekommen, es hat keine Tradition, etwas gleich zu reparieren, wenn es kaputt geht. Es dauert immer etwas länger, bis ein Schaden behoben wird. Dass sich das auch auf Dächer bezieht haben wir in Gargnäs gehört. Warum sollten kaputte Dachziegel ausgetauscht werden, es liegt doch eine Plastikfolie darunter, da kann es ja gar nicht rein regnen. „Jätte konstigt“ würde man auf schwedisch dazu sagen.
Von Sandarne aus fährt (stündlich) ein Bus nach Söderhamn und wir testen - schon zum zweiten Mal - den öffentlichen Nahverkehr. An der Bushaltestelle steht auf dem Fahrplan drauf, dass es sich um Cirka-Zeiten handelt, man sollte mit einigen Minuten vorher und nachher kalkulieren. Bar kann man im Bus nicht zahlen, einen Automaten gab es nicht, und wir hatten Glück, dass es auf der Fahrt Richtung Söderhamn nicht möglich war, mit der Kreditkarte zu zahlen „Det fungerar inte“, das funktioniert nicht. So haben wir erst auf der Rückfahrt erfahren, dass eine einfache Fahrt pro Person 4,50 € kostet - ich finde, das ist genug für ein Retour-Ticket. Der Ort Söderhamn ist von einem Fluß durchzogen, der ins Meer führt, mit einem netten kleinen Hafen. Dort ist auch ein „Campingplatz“ gelegen - einige Parkplätze mit Stromanschluss, an denen man max. 3 Tage stehen darf, mit Frischwasseranschluss und einer Toilette. Das Städtchen sieht ganz einladend aus, wir finden auch eine gute Konditorei mit Blick auf einen Aussichtsturm. Der kurze Platzregen kommt genau zur rechten Zeit, während wir uns einen Kaffee schmecken lassen, danach können wir noch einen ausgedehnten Spaziergang am Fluß entlang genießen. Auf dem Rückweg sind auch einige andere Fahrgäste im Bus, das Angebot wird also doch angenommen.
Auf der Halbinsel lässt es sich auch schön spazieren gehen, auch wenn das Naturschutzgebiet eingezäunt ist. Es gibt schön angelegte Wege und auch ein Badestrand, viel Gebüsch und Wald - wir kommen endlich mal wieder aus der Bude raus und können Sonnenschein und frische Luft tanken.
Der modrige Geruch von Brackwasser in Söderhamn lässt uns nach drei Nächten wieder aufbrechen, jetzt verlassen wir die Küste und fahren ins Inland. Wir waren vor 3 Jahren bereits in Falun, allerdings hatte es damals geregnet, der Campingplatz war stadtnah mit engen Plätzen und stark frequentiert, wobei wir jetzt wissen, dass ALLE Campingplätze in den Sommerferien sehr stark belegt sind. Diesmal testen wir den anderen Platz, der an einem wunderschönen See liegt und zu unserer Überraschung gar nicht so weit vom Stadtzentrum entfernt ist, nur knapp 4 km. Das nutzen wir dann auch für einen schönen Spaziergang, der allerdings von stürmischem Wind begleitet wird, der uns am Seeufer richtig durchbläst. Die Innenstadt gefällt uns dafür sehr viel besser dieses Mal und wir entdecken auch mehr oder weniger kuriose Sehenswürdigkeiten. Auf dem großen Marktplatz steht eine Statue von Engelbrekt Engelbrektsson - wer auch immer das sein mag - und am Fuße der Statue soll eine Bank zum Ausruhen einladen. Allerdings steht sie derartig schräg, dass ich das unbedingt festhalten muss, auch wenn mich die Statue nicht so unglaublich fasziniert. Außer einem guten Cafe entdecken wir noch zwei Käseladen, stellen fest, dass der große Bauernmarkt nicht am Freitag sondern am Samstag statt findet, da sind wir also einen Tag zu früh, und vollenden die Runde am Seeufer entlang zurück zum Campingplatz.
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