Der Weg zum nördlichsten Ort an der Grenze von Schweden nach Finnland, Karesuando, ist nicht sehr weit. Die Landschaft ändert sich nur leicht, die Bäume wachsen nicht mehr so hoch, überall gibt es Sträucher und Gebüsch, viele Felsbrocken mit Flechten. An den Straßenrändern führen Gräben entlang, meistens mit Wasser gefüllt, nur selten fließt das Wasser, also das ideale Mückenbrutgebiet. Die Straße wird immer wieder von Schildern gesäumt, die auf ein Ereignis am 30.7.hinweisen und als wir in Karesuando ankommen ist ein großes Straßenfest in Gang. Hier ist für 3 Tage Ausnahmezustand, überall stehen Marktstände (ich will auch so einen Pavillon mit Moskitonetz!) und man kommt nur mit Schrittgeschwindigkeit weiter. Mitten im Ort führt die Brücke nach Finnland, alle Parkplätze sind belegt mit WoMos, Wohnwägen (oder heißt es Wohnwagen? Heiko und ich sind unterschiedlicher Meinung) und Transportern, überall dröhnt laute Musik, Menschen lachen und spazieren fröhlich singend durch die Straßen. Hier liegt der nördlichste Campingplatz Schwedens, mitten im Trubel, und wir sind heilfroh, dass das Navigon noch einige Kilometer Fahrweg angibt. Über eine Umleitung im Ort führt die Strecke aus der Gemeinde wieder hinaus, rechter Hand liegt der See, linker Hand erreichen wir den Campingplatz, am Fluß Muonioälven (schwedischer Name) bzw Muoniojoki (finnische Bezeichnung) gelegen. Hier ist es wieder ruhiger, der Platz bietet nur etwa 25 Stellplätze an und natürlich Hütten. Die Besitzerin empfiehlt uns einen Platz direkt am Rand neben dem Servicehaus, dort gibt es die wenigsten Mücken. Wir finden schnell heraus, dass es nur wenige sehr kleine Stechmücken gibt, die Haupt-Quälgeister sind diesmal die Knotts. Bei 12 °C und hoher Regenwahrscheinlichkeit ist das für uns nur von geringer Bedeutung, da essen wir lieber drinnen. Die Neugier treibt uns aber noch auf einen Spaziergang zurück nach Karesuando, wo sich inzwischen das gesellige Treiben auf das Tanz-Zelt konzentriert. Die Marktstände sind alle abgebaut, die Menschen zieht es jetzt alle zum „dans-klacken“, der Grund für die Umleitung. Es scheinen alle Bewohner des Ortes, sowohl von der schwedischen als auch von der finnischen Seite auf den Beinen zu sein und hier ordentlich zu feiern, vor allem mit Alkohol und Gesang, woraus wir schließen, dass es hier oben im Norden nicht allzu viel Abwechslung gibt, man muss jede Gelegenheit nutzen. Wir nutzen die Gelegenheit über die Brücke des Torneälven auf die finnische Seite zu promenieren, fotografieren und freuen uns über die ersten Schilder in Euro - an einer Tankstelle.
Heute nehmen wir Hälge mit auf die finnische Seite, der erste Weg führt an der Grenze entlang Richtung Süden nach Muonio. Es dauert eine Weile bis wir herausfinden, dass die Route gar nicht so lange dauert - die Ankunftszeit bei Navigon berücksichtigt die Zeitumstellung, in Finnland wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt. Wir sind gespannt auf finnische Geschäfte, auch hier wird der Alkohol in staatlichen Läden verkauft (Alko), und wir hoffen auf niedrigere Preise. Der Ort Muonio ist irgendwie seltsam, er besteht aus 4 Tankstellen (die fünfte wurde geschlossen) und einigen Geschäften, die Häuser liegen an der Straße verstreut, sind nicht als Ort zu erkennen. Es ist sehr sympathisch, dass es an der Straße entlang einen Rad-/Fußweg gibt, den haben wir auch für uns alleine. Es geht hier keiner zu Fuß, man erledigt alles mit dem Auto - was die vielen Tankstellen erklärt. Wir entdecken eine K-Supermarkt und einen S-Supermarkt, und freuen uns, auch gleich ein R-Kioski zu erblicken. Nachdem der erste Weg zum Schweizer Bäcker erfolglos war (wegen technischer Probleme geschlossen) inspizieren wir einen S-Markt und bemerken, dass wir den finnischen Sprachführer vergessen haben. Die Waren sind öfter mit russischer Schrift ausgestattet als mit schwedischer, da wird das Einkaufen zur echten Überraschung. Eine freudige Überraschung erleben wir im R-Kioski, als wir eine SIM-Karte für das Internet kaufen. Es gibt zwei verschiedene, wir entscheiden uns für die Empfehlung des freundlichen Verkäufers, die Abdeckung im Land soll sehr gut sein, eine 4G-Karte mit Flatrate für 24,50 €! Wir fragen noch mal nach, die Karte ist wirklich ohne Begrenzung des Datenvolumens, der Verkäufer ist etwas irritiert über unsere Frage und unsere Freude über seine Antwort. Dann setzen wir uns glücklich und zufrieden auf eine Bank an den Fluß, verzehren unsere im Supermarkt erstandenen Zimtschnecken und tapern anschließend zurück zum Campingplatz. In der Nacht setzt der Regen ein, das Wetter-App gibt 0 (!) Min. Sonne für den ganzen nächsten Tag an, so dass wir die Flucht ergreifen und nach einer Nacht weiter fahren.
Das erste Fazit, das wir von Finnland ziehen können: das finnische Lappland sieht genauso aus wie das schwedische. Wir haben inzwischen Mühe bei der Umrechnung des finnischen in den deutschen Euro und bemerken dadurch, dass es in Finnland bei den Dingen des täglichen Bedarfs auch nicht günstiger ist als in Schweden. Auf dem Weg von Mounio nach Sodankylä bessert sich das Wetter, wir sehen endlich wieder mal blauen Himmel und die Sonne. Das hebt unsere Laune ungemein und wird auch nicht dadurch getrübt, dass wir bei der Ankunft in Sodankylä feststellen, dass wir so gut wie keine Mücken sehen oder um uns rum schwirren hören aber immer mehr Stiche an den Armen und Beinen finden. Das Rätsel ist sehr schnell gelöst, hier gibt es wieder viele Sandfliegen, so klein, dass sie durch das Moskitonetz durchkommen, problemlos unter Ärmel und Hosenbeine krabbeln und stechen. Richtig gemein sind die Blutsauger, die im Haar rum krabbeln, auch die Stiche im Gesicht sind unangenehm.
Der Ort Sodankylä wirkt wieder wie eine Kleinstadt, es gibt auch im Zentrum Wohnhäuser. Die Schaufenster erinnern teilweise an die 1950er oder 1960er Jahre (oder zumindest meine Vorstellung davon), es fühlt sich an wie eine kleine Zeitreise. An Sehenswürdigkeiten bietet der Ort eine der ältesten Kirchen von Lappland, erbaut 1689, und die Statue „Ein Rentier und ein Lappe“, die die Rentierzucht darstellt. Die Rentierzucht ist immer noch eine der bedeutendsten Berufe der Samen in Sodankylä.
Zum Glück bietet der örtliche Buchladen ein Finnisch-deutsches Wörterbuch an, die Nachfrage scheint sehr gering zu sein, denn wir finden im Internet kein einziges App für unser Problem. In Finnland ist zwar Schwedisch die zweite Amtssprache, eigentlich lernen die Finnen in der Schule Schwedisch, praktisch kommen wir nur mit Englisch weiter. In der Bäckerei kann man ein Stangenbrot kaufen, Baguette kann man im Nachhinein nicht mehr sagen. Dazu war es zu süß und zu lapprig. Vielleicht haben wir die nördliche Grenze für Baguette inzwischen auch überschritten.
Wir sind gespannt auf die Tundra, laut Reiseführer liegt auf der Strecke nach Inari die Vegetationsgrenze und man fährt durch die Tundra. Auch der Campingplatz in Inari wird mit „guter Standard-Ausstattung“ gelobt, in beiden Punkten wurden unsere Erwartungen nicht ganz erfüllt. Bei der Überquerung eines Hügels wandelte sich der Nadelwald schlagartig in eine weite Fläche mit nur vereinzelten sehr niedrigen Fichten. Sobald wir wieder in niedrigeres Gelände fuhren nahm die Anzahl der Bäume genauso schlagartig wieder zu und wir fuhren wieder durch endlose Wälder. Kurz hinter Ivalo beginnt bereits der Inarijärvi, der zweitgrößte See Finnlands. Der See hat eine Küstenlänge von über 3300 km und mehr als 3300 größere und kleinere Inseln. An den Straßenrändern sind zahlreiche kleinere Seen und Teiche, teilweise Ausläufer des Inarijärvi zu sehen, manchmal ist es auch nur Moor bzw. stehendes Wasser. Es regnet sehr häufig, der August ist der regenreichste Monat, und wir bekommen das hautnah zu spüren, die Lücken zwischen den Schauern sind nur kurz und die Sonne lässt sich kaum blicken.
In Inari gibt es mehrere Aktivitäten, außer einem Rundflug mit einem Wasserflugzeug kann man Kajaks mieten, wandern oder eine Bootsfahrt zur Insel Ukko. Wir entscheiden uns für die Bootstour und schippern am Donnerstag um 13 Uhr los. Bis zu diesem Zeitpunkt hat es nur ein mal geregnet, kurz vor dem Aufstehen gegen 9 Uhr, und wir freuen uns über die sonnigen Abschnitte, die wir heute schon erlebt haben. Der Katamaran fährt gemächlich durch die vielen Inseln und Felsbrocken, die Erklärungen werden in finnisch, deutsch und englisch durchgesagt, so dass wir auch viel davon verstehen. Das Ziel der Bootsfahrt, Ukko, war eine heilige Insel der Samen, sie ist deutlich an ihren Umrissen zu erkennen, ein 30 m hoher Felsenhügel, mit Heidelbeer- und Preiselbeer-Sträuchern und niedrigen Bäumen bedeckt, 100 m breit (sieht kleiner aus) und für Touristen mit einer Holztreppe vorbereitet. Auf dieser gelangen wir (zusammen mit den anderen Touristen) auf den Gipfel wo pünktlich zur Ankunft der Regen beginnt. Die Regenwolken sehen imposant aus, wenn sie sich von uns entfernen, gefallen sie mir besser.
Seite 8 von 13