Kurz vor Arvidsjaur gibt es immer noch Waffeln, eine Deutsche hat mit ihrem Finnischen Mann dort ihr Atelier aufgebaut. Sie verkauft selbst gravierte Gläser, Schüsseln und Dekoration, außerdem noch Schmuck und Souvenirs aus Schweden. Kaffee und Waffeln gibt es entweder in der Grillhütte oder auf der Veranda und bei dem schönen Wetter muss man natürlich draußen sitzen. Vor drei Jahren hatten wir die Waffeln noch in der Grillhütte genossen, und sie hatte auch von Arvidsjaur geschwärmt, da muss man unbedingt mal hin, das ist dieses Jahr etwas anders. Wir fahren trotzdem nach der Stärkung die paar Kilometer weiter und sind ziemlich erstaunt über den Verkehr, der auf der Hauptstraße herrscht. Im ICA decken wir uns noch mit frischen Lebensmitteln ein und suchen uns dann einen gemütlichen Platz auf der Wiese des Campingplatzes. Der Platz ist wieder etwas teurer, verfügt dafür über zwei Industrie-Waschmaschinen und -Trockner. Da legen wir doch noch einen Zwischenstopp mit Waschen ein, wir kommen trotzdem noch zu unserem Ausflug um den See herum und durch Arvidsjaur, mit Einkehr bei Sveas Kaffee. Die Holz-Elche in der Ortsmitte habe ich genauso wenig fotografiert wie die Samenhütten oder andere touristische Anziehungspunkte. Der Ort ist zwar nicht so groß trotzdem ziemlich laut durch den unglaublichen Durchgangsverkehr der Touristen. Deshalb packen wir am Samstag wieder zusammen und fahren den E 45 zurück, um nach der Empfehlung Ammarnäs zu sehen.
Die Straße 363 führt entlang des Flusses Vindelälven, Europas längster naturbelassener Fluss. Die Straße ist auch ein Teil des Vindelälvleden, eines langen Radweges. In Schweden wird nicht lange ein Radweg neben der Straße gebaut, da reicht ein kleines rotes (für Fahrrad) oder grünes (für Wanderweg) Schild unter den Straßenschildern aus. Von Sorsele, der Kommune, aus sind es etwa 80 km bis Ammarnäs auf holprigem Schlaglochfeld, und nach etwa 60 km entdecken wir auf der linken Seite einen malerisch gelegenen Campingplatz, frisch gemäht, wenige Zelte bzw. WoMos und Wohnwagen. Wir beschließen erst mal dort zu bleiben, inzwischen immer erst mal für eine Nacht zum Antesten, verlängern kann man immer. Der Platz wird von einem Norweger verwaltet, der damit seinen Zeltplatz für den Sommer finanziert, die Besitzerin wohnt in einem Haus direkt nebenan. Der Ort heißt Kraddsele, hat lt. Wikipedia 48 EinwohnerInnen und liegt mitten im Schwedischen Angelparadies. Direkt gegenüber der Einfahrt zum Campingplatz ist ein kleines Blockhaus-Carport, wo es nicht nur Lizenz-Karten für das Angeln zu kaufen gibt, hier sind auch alle Briefkästen untergebracht. Man muss zwar dort hinkommen, um die Post zu holen, dafür sind die Briefkästen vor Wind und Wetter geschützt. Und Horst hatte uns schon erzählt, dass es bei -45 °C ziemlich schattig werden kann, wenn der Motor nicht mehr anspringt. Deshalb sind ja auch die Parkplätze mit Stromanschluss ausgestattet für die elektrischen Motorheizungen. Die Tafel für die Angelregularien ist äußerst umfangreich, wieviele Fische darf man mitnehmen, bis zu welcher Größe muss man sie wieder rein schmeißen oder war es ab welcher Größe? Das nennt sich dann Angelsport, wenn man die Fische nicht zum essen angelt sondern um sie wieder in den Fluß zurück zu werfen. Ich kann das nicht nachvollziehen. Nur weil Fische nicht schreien können heißt das ja nicht, dass sie keine Schmerzen hätten. Was ist daran Sport?
Von Kraddsele aus kann man auch gut wandern, es liegt direkt am Rand des Naturschutzgebietes Vindelälven. Dort führt ein Mehrtages-Wanderweg durch, bis zur nächsten Hütte sind es 25 km, danach etwa 30 km. Wir sind eher Spaziergänger und machen unseren Ausflug zum Blekseleforsen, einem Wasserfall. Der „Wasserfall“ ist eher eine Ansammlung von Steinen im Fluss, dadurch gibt es auch einige weiße Gischtspritzer, mehr aber nicht. Der Weg führt durch Waldgebiet mit großen Felsbrocken, offenbar ist das Gebiet hier sehr eisenhaltig, die Felsen sind teilweise tiefrot gefärbt.
Jetzt ist auch die Sonne wieder am Himmel, es könnte so wunderschön sein, wenn nicht die vielen Stechmücken wären. Der Norweger verkauft uns eine Räucherspirale, trotzdem treiben uns die Mückenschwärme beim Essen nach drinnen. Wir haben zwar die Zwangsbelüftung abgedichtet, alle Fenster geschlossen, gehen vor dem Schlafen noch auf die Jagd - es hilft alles nichts: am Morgen sitzen mindestens 20 Blutsauger in der Dusche und kommen dadurch in den Alkoven um uns zu stechen. Dadurch tragen wir stark zur Dezimierung der Mücken bei, sie vermehren sich aber zu schnell…
Nicht nur die Mücken haben uns vertrieben, es gab auch nur zwei Toiletten mit integrierter Dusche, eine für die Jungs, eine für die Mädels. Und Angeln ist etwas für die Jungs, da ist ausnahmsweise mal der Andrang bei den Mädels geringer. Aber nach zwei Tagen und (zu) vielen Stichen machen wir uns auf den Weg, fahren noch mal nach Ammarnäs, um das auf alle Fälle gesehen zu haben. Eigentlich ist es ein Wintersportort, dort gibt es auch einen Abfahrtshang für die SkifahrerInnen, der gar nicht so einfach aussieht und wir beobachten auch einige Wanderer, die gerade ankommen bzw. sich auf den Weg machen. Es fährt sogar ein Bus hierher, wahrscheinlich warten auch einige auf den Rücktransport.
Wir fahren die Schlaglochstrecke zurück zum nächsten größeren Ort, nach Sorsele. Der dortige Campingplatz ist Anfang des Jahres von einem Schweizer übernommen worden und liegt wie der größte Teil des Ortes auf einer Insel. Hier gibt es zumindest weniger Stechmücken, hier gibt es mehr Knotts, was den Vorteil hat, dass die Knotts sich von den Räucherspiralen vertreiben lassen und im WoMo nichts machen. Dort fliegen sie an die Fenster und suchen keine Opfer, denen sie Teile aus der Haut herausschneiden.
Der Ort ist nicht wirklich schön, wir haben festgestellt, dass der schönste Platz auf dem Friedhof ist. Irgendwie traurig. Die Dorfjugend trifft sich am Badesee, in den ein nagelneuer Steg gebaut ist, mit Bänken zum Setzen und Handtuch ablegen. Allerdings wird auch mal gerne morgens um kurz nach 7 Uhr mit dem Traktor gemäht, das hört sich dann an, als ob der Traktor mitten durchs WoMo fährt. Erwähnenswert ist auch noch der ortsansässige Spediteur, Sorsele Frakt. Im Wohngebiet stehen da mal riesige Lkw mit Anhänger rum, allerdings ist nur ein einziger der Reifen mit fahrtüchtigem Profil ausgestattet, zwei andere Reifen sind stark abgefahren, bei allen anderen ist gar kein Profil mehr vorhanden. Da kriegt man richtig Vertrauen in die Lkws, die einem so auf der Straße begegnen!
An der Küste soll es ja weniger Mücken geben, außerdem warten wir auf die Halterungen für die Hubstützen, die HPC uns versprochen hat, deshalb fahren wir Richtung Küste. Wir haben einen kleinen Platz rausgesucht, der Wert auf Ruhe und Einsamkeit legt, stellen bei der Besichtigung des Geländes fest, dass das eher Wunschdenken ist als Realität. Also fahren wir weiter und landen auf dem Fischcamp Fromheden, mit eingezäuntem Fischteich, wenig Stechmücken, dafür viele Bremsen. Am Wochenende (15./16.7.) findet hier ein Treffen von Akkordeonspielern statt und die ersten sind bereits eingetroffen. Im Vorzelt werden die Instrumente ausgepackt und wir brauchen an diesem Abend kein Radio, die Unterhaltung ist teilweise richtig gut. Der motivierteste Spieler ist auch um Mitternacht noch in seinem Element bzw. an seinem Instrument, glücklicherweise weit genug von unserem Platz entfernt. Da wir vor zwei Jahren im Juli ebenfalls ein Treffen allerdings viel weiter südlich im Värmland mitgekriegt haben, schließen wir daraus, dass solche Treffen wohl immer Mitte Juli stattfinden. Offenbar ist das auch sehr attraktiv für Norweger, die zahlreich vertreten sind.
Wir machen den Akkordeon-Begeisterten Platz und fahren weiter bis zur Küste. In Schweden werden in den Sommerferien alle Straßen neu asphaltiert und so fahren wir mal wieder 30 km auf Rollsplitt. Hört sich nicht so schlimm an, die Schweden geizen aber nicht mit den kleinen Steinchen, so dass teilweise noch nicht einmal die max. erlaubten 50 km/h möglich waren. Am späteren Nachmittag kommen wir dann auf dem Campingplatz Sikfors an, das Gewitter ist gerade in vollem Gange, es hört sich an wie Weltuntergang. Heiko übernimmt das Einchecken und dann stellen wir uns erst mal auf den Platz und warten bis der Regen aufhört. Die Wassermassen waren so heftig, dass der Platz unter Wasser steht, wir waten durch den Matsch, um die Auffahrkeile unter zu legen und das WoMo abzustützen. Dann erkunden wir den Ort zu Fuß, ein kleiner Spaziergang ist nach den beiden Fahrtagen dringend notwendig. Als wir nach 1 Stunde zurück kommen ist der Platz komplett abgetrocknet, wir waren offenbar zu schnell mit dem Ausrichten des WoMos. Da konnten wir zumindest noch den Abend draußen genießen, man campt ja nicht um drin zu sitzen.
Der Ort Sikfors liegt am Fluß Vallidan und hat ein kleines Kraftwerk an dem Wasserfall (fors). Über eine wacklige Hängebrücke gelangt man zu diesem Kraftwerk und das ist wieder viel attraktiver zum Wandern. An der Seite der Sperre ist auch ein Fischlauf angebracht, wir entdecken aber keine hüpfenden Lachse oder anderen Fische. Am Abend wird es auf dem Campingplatz recht voll, so dass wir nach zwei Nächten wieder zusammen packen. Der Platz hat begonnen, die Sanitäranlagen zu renovieren, bei den Mädels sind sie auch fertig, die Duschen waren die besten, die mir bisher in Schweden begegnet sind. Die Jungs müssen auf die Renovierung aber noch warten, so dass Heiko einen größeren Drang zum Weiterfahren verspürt als ich.
Der ersehnte Anruf ist da, die Halterungen sind in Gargnäs angekommen. Da Horst am Freitag und Samstag Pizza backt, fahren wir übers Wochenende erst mal nach Storlångträsk (großer langer Sumpf) zum Campingplatz Norrskengården. Dort stehen zwar zwei Wohnwagen, das sind offenbar Dauercamper, ansonsten sind wir alleine. Das Restaurant öffnet am Wochenende von 12 - 15 Uhr, und wir erwischen gerade noch jemand, bei dem wir den Platz bezahlen können. Auch hier gibt es immer wieder Schauer im Wechsel mit Sonnenschein und starker Bewölkung. Aber es ist ruhig und ungestört und wir können mal wieder einen längeren Spaziergang machen, bis wir von den Mücken regelrecht aufgefressen werden. Heiko wird immer noch heißer geliebt als ich, ich bin eine ganze Weile damit beschäftigt, ihm die Mücken vom Rücken und den Schulter zu schlagen. Aus dem Spaziergang wird auf diese Weise doch eine Walkingtour mit Kräftigungsübung für die Arme. Dann bleiben auch die Schultern geschmeidig. Allerdings wird es ziemlich warm unter den Softshell-Jacken mit Kapuze. Man sollte also nur auf den Wegen der Holzlaster laufen, nachdem der Wald gerodet wurde. Sobald die Bäume höher und dichter werden sollte man sofort umkehren - oder einen Imkeranzug tragen.
Auch an diesem Platz stelle ich wieder fest, die schönsten Fotos kann man in der Nacht schießen. Auf dem Spaziergang am Abend ist die Atmosphäre schon äußerst fotogen, gegen Mitternacht gibt es dann die stimmungsvollsten Fotos. Vielleicht schaffen wir es ja diesmal, einen Fotoband zu erstellen.
Seite 6 von 13