Der Berg ruft: Aoraki ist etwa 100 km entfernt. Obwohl der Tag bewölkt beginnt, kommt am Mittag die Sonne durch, der schneebedeckte Gipfel ist vollständig zu sehen. Der Wanderweg ist dicht bevölkert von Touristen - hier ist tatsächlich Hochsaison.
Eine dichte Wolkendecke hängt über Lake Tekapo und die umliegenden Berge, als wir um 10:30 Uhr aufbrechen über den SH 8 Richtung Aoraki. Nachdem wir den Hügel im Westen hinter uns gelassen haben, öffnet sich die Hochebene in ihrer vollen Größe. Die Straße quert den Tekapo Canal, ein kerzengerader Kanal, der der Hauptzufluss zum Lake Tekapo darstellt. Auch hier dieses unbeschreibliche Türkis des Kanals, das in dem hellen Braun der verödeten Steppe noch viel unwirklicher aussieht. Die Querung der Hochebene misst etwa 20 km! Danach folgt ein kleiner Hügel, nach der nächsten Kurve öffnet sich das nächste Tal mit Lake Pukaki. Auch dieser See leuchtet Türkisfarben, obwohl momentan die Wolkendecke nur einzelne Löcher aufweist um den blauen Himmel zu offenbaren. Am Südende des Sees ist ein großer Parkplatz vor dem Visitor Center, von dem aus man einen super Blick auf DEN Berg hat, momentan allerdings noch mit Schleierwolken über dem Gipfel. Wir zweigen kurz vor Twizel auf den SH 80 ab, der am Ufer des Lake Pukaki entlang führt. Aoraki bzw. Mt. Cook, der höchste Berg Neuseelands, ist 3755 m hoch, einer der 22 Dreitausender des Mt. Cook National Parks. (In ganz NZ gibt es insgesamt 27 Dreitausender, hier stapeln sie sich also ein bisschen.) Es ist ein klarer Unterschied zwischen der öden, braunen, verdorrten Hochebene und dem jetzt folgenden National Park zu erkennen: hier werden die Urwälder erhalten, man versucht wieder aufzuforsten, dort wo schon gerodet wurde, es wird wieder grün. So deutlich war die Grenze bisher noch nicht zu sehen.
Der Highway SH 80 ist sehr gut ausgebaut, eine sehr breite Straße, kaum Kurven, nur 3 einspurige Brücken und ohne Bergfahrten. Man kann sich kaum entscheiden, permanent auf den riesigen türkisfarbenen See zu starren oder das schneebedeckte Bergmassiv, auf das man geradewegs zusteuert, zu bestaunen. Das nördliche Ende des Sees ist nicht klar umrandet durch ein Ufer, das Wasser läuft mehr oder weniger aus, es bleiben große Pfützen bis Tümpel erkennbar, einige kleinere und größere Rinnsale suchen sich den Weg in den See. Die Ebene verengt sich, die Hügel kommen auf beiden Seiten näher, wir nähern uns dem "Bergdorf" Mt. Cook, immerhin auf 760 m Höhe. Wir parken auf dem zentralen Parkplatz und erkundigen uns im Visitor Center nach den möglichen Wanderwegen. Eigentlich kommt nur der Kea Point in Frage, 2 h retour.
Wir packen die Rucksäcke, ziehen auch die Regenjacken über, das Wetter kann hier sehr schnell wechseln, die Schleierwolken bilden eine geschlossene Wolkendecke, und wandern auf dem gut beschilderten und auch sehr gut präparierten Weg los. Gleich zu Beginn stehen Holzbänke, das lässt auf schöne Rastplätze hoffen. Der Weg führt anfangs durch etwa 2 m hohes Buschwerk, nicht zu vergessen die Himbeer-Sträucher, die mitten drin auftauchen, es duftet herrlich nach Beeren, dann werden die Büsche niedriger bis nur noch Gras und Moos am Boden zu sehen ist. Einzelne Gebirgsblumen stehen noch in voller Blüte, es leuchtet hellblau, rosa, rot und orange, auch Bodendeckende Sträucher mit schwarzen Beeren sind hier zu finden. Aus dem Weg, der immer wieder mit Holzstegen durchsetzt ist, wird langsam ein Geröllpfad, die Steine werden größer, die Felsen am Rand nehmen erhebliche Dimensionen an. Nach einer knappen Stunde erreichen wir den Kea Point - ohne einen Kea gesehen zu haben - und zücken die Kameras: der Berg liegt in seiner vollen Pracht vor uns, gesäumt von weiteren Gebirgsketten, Mt. Sefton und Footstool erstrahlen in der allmählich heraus gekommenen Sonne, die Wolken ziehen langsam davon. Nur hinter dem Aoraki hat sich eine malerische Schleierwolke festgesetzt. Der direkt vor uns liegende Mueller-Gletscher ist kaum zu erkennen, erst nach längerem Hinsehen wird klar, dass aus dem grauen See große Eisbrocken emporragen, über und über mit Geröll bedeckt. Der See wird eingerahmt von einer Moräne, deren exakter Schnittgrat imposant wirkt. Nach dem Fotoshooting, bei dem uns ein Deutsches Paar behilflich war, werfen wir einen letzten Blick auf die Schautafel, die endlich sichtbar ist - vorher war sie von einer großen Reisegruppe gänzlich in Beschlag genommen - und kehren um. Bei der Abzweigung zum Hooker Valley nehmen wir den Rat des Paares an und wandern auf diesem Weg ein Stück weiter, erst über den Campingplatz, vorbei an einem Alpine Memorial, das allerdings zu stark frequentiert ist, weswegen wir es links liegen lassen, zu dem ersten Aussichtspunkt, von dem aus man die erste Swingbridge des Weges gut beobachten kann. Der Mueller Gletscher sieht von hier etwas beeindruckender aus als vom Kea Point, wir entschließen uns, etwas weiter zu wandern. Die Swingbridge ist relativ stabil, hier dürfen auch 20 Personen auf einmal drüber laufen. Der Weg windet sich ebenfalls recht flach am Fuße des Bergs entlang, wir kehren aber nach 45 Min. um, da wir unsere Hüte im Auto gelassen haben und die Sonne gerade anfängt, erbarmungslos herunter zu brennen. Außerdem haben wir keinen Proviant mitgenommen, sondern nur Wasser.
Der Rückweg zieht sich dann auch etwas, es wird langsam richtig heiß, für die von gestern gereizte Haut an den Armen wird es unangenehm. Die Reisegruppen, die uns entgegen kommen, werden immer zahlreicher, dies ist der touristischste Ort, den wir bisher besichtigt haben. Der Wanderweg artet langsam in eine Pilgerroute aus. Nach etwas mehr als 3 Stunden gelangen wir am Bergdorf und dem Cafe an. Vor 10 Min. schloss die Küche - wir fahren unverrichteter Dinge (also hungrig) zurück nach Lake Tekapo. Auf den Aussichtspunkten am Ufer des Lake Pukaki können wir unser unglaubliches Glück erst richtig fassen: die Schleierwolke hat sich um den Berg Aoraki gesenkt, der schneebedeckte Gipfel liegt jetzt in der Wolke verborgen. Und wir haben ihn auf unserer Wanderung vollkommen bewundern können!
Heute wird die Eröffnung des Ressorts mit ausgewählten Personen gefeiert - zumindest sieht es nach Eröffnung aus. Da wir nicht eingeladen sind, lösen wir mal kurzzeitig den Feueralarm aus, na ja, auf einem Gasherd mit dicken Edelstahltöpfen mit Sandwichboden zu kochen, hat halt so seine Tücken. Zumindest funktioniert in diesem nagelneuen Ressort der Reset-Knopf, so dass auch die Angestellten sorglos weiter feiern können.