Der Whanganui National Park müsste eigentlich bei Wanganui Stadt und am Fluss Whanganui entlang liegen. Die Anfahrt in den eigentlichen Park ist etwas weiter als gedacht (statt den geschätzten 20-30 km werden es dann doch über 100 km), dafür sehen wir den ersten schneebedeckten Berg Mount Ruapehu im Top-Skigebiet von Ohakune - der Stadt der großen Karotten. Für den Wald-Rundweg reicht es aber allemal, für den Kaffee sind wir allerdings danach zu spät: alle Cafes und die meisten Läden - so auch das Department of Conservation - schließen um 15 Uhr.
Heute ist ein Wanderweg im Whanganui geplant, erst mal in den National Park reinfahren, dann einfach einen Wanderweg auswählen. Die Deutsche Mentalität unterscheidet sich von der Neuseeländischen: in Deutschland geht man zum Wandern in die National Parks, in Neuseeland werden Schafe gezüchtet, man fährt auf dem Fluss Kajak oder in den Bergen Ski und vergnügt sich mit teuren Aktivitäten, für die alle Eintritt bezahlen. Der erste Versuch, in den National Park zu gelangen (da standen noch Schilder mit kleinen KM-Angaben am Straßenrand) scheitert nach kurzer Fahrt auf einer sehr schmalen, kurvigen und steilen Straße ohne Markierung, wir kehren um. Der Reiseführer erzählt auch von der wunderschönen Aussicht auf den Wald und den größtenteils unbefestigten Wegen. Also doch der SH 4. In Wanganui stand auf dem Straßenschild 123 km Entfernung angeschrieben, die wollen wir aber nicht ganz fahren. Auf dem zunächst gut ausgebauten SH 4 folgt nach kurzer Zeit ein Schild, das auf die Sturmschäden hinweist - für die nächsten 50 km. Wir erfahren ziemlich schnell die Bedeutung dieses Schildes: ab und zu ist mal der Straßenrand weggeschwemmt worden oder ganz einfach abgebrochen. An einigen Stellen wird gerade ausgebessert, d.h. dort gibt es kurze Schotter-Abschnitte, meistens wird auf 30 km/h abgebremst, viele orangefarbene Hütchen stehen auf oder am Rand der Straße, es liegt Schotter auf dem Asphalt, dann darf man wieder 100 km/h fahren. Wobei die 100 auf drn kurvigen unübersichtlichen Straße doch eher den Einheimischen vorbehalten ist. Ich bin im Urlaub und nicht auf der Flucht, glücklicherweise gibt es öfter mal eine "Slow Vehicle Bay" oder eine kleine Ausbuchtung am linken Fahrbahnrand, auf den man ausweichen kann, um die Schnelleren vorbei zu lassen. Männer stehen ja im Wettbewerb, die müssen schneller fahren - ich stehe da drüber!
Die Landschaft ist nicht sehr abwechslungsreich, steile Hügel rechts und links der Straße, immer wieder durch Zäune getrennt, unzählige Schafe und Kühe grasend bzw. wiederkäuend auf den Feldern. Eigentlich sollte heute gewandert werden und nicht wieder so weit mit dem Auto gefahren werden (es müsste mal in die Waschstraße) aber so richtige Wanderwege gibt es am Straßenrand nicht. Nach gut 100 km (lt. Straßenschild sind es 88 km bis Wanganui Stadt) gelangen wir in den ersten "größeren" Ort, Raetihi, mehr als 200 Einwohner kann es dort nicht geben, er ist auch im Reiseführer gar nicht erwähnt. Dort führt wieder ein Hinweisschild zum National Park, Richtung Pipiriki, nur noch 12 km. Schon kurz nach dem Ortsausgang fällt uns das Schild "Gravel 4 km " auf, und nach der Kurve, die auf 25 km/h beschränkt ist, ist es auch soweit: schwarzer Schotter, zwei "Fahrbahnen", eine davon jeweils breit genug für ein normales Auto, dazwischen ein aufgeworfener Haufen, der wohl als Begrenzung dienen soll. Meine Nerven halten das nicht allzu lange aus, bei der ersten Wendemöglichkeit kehren wir um. Zurück im Örtchen Raetihi kann die nette Kiwi-Frau im Informationsladen nicht so ganz verstehen, warum wir da nicht weiter fahren wollen, aber wir bleiben hart: wir wollen wandern und keine Schotterpiste fahren. In dem hier üblichen Slang (also so gut wie unverständlich, man reimt sich alles zwischen den zwei Worten, die man glaubt verstanden zu haben zusammen) erklärt sie uns, wir sollen nach Ohakune fahren, da gibt es dann Rundwege zum Wandern, von dem 4 h Weg rät sie uns ab, weil es nicht mehr ganz so früh ist.
Weitere 11 km weiter in Ohakune wollen wir erst einmal einen Kaffe trinken - und finden natürlich genau das eine Cafe, das bereits die Kaffeemaschine gereinigt hat. Dann nehmen wir uns die Stückchen halt mit und verzichten auf das Getränk. Frisch gestärkt wandern wir durch den Skiort, der Wind bläst uns fast die Hüte vom Kopf, die Aussicht auf Mt. Ruahepu entschädigt jedoch für alle Mühen. Es wirkt unwirklich, der Berg mit dem weißen Kamm und den Schneeausläufern, mitten im Sommer, mit T-Shirt und Sonnenhut unterwegs. Um 15:15 Uhr erreichen wir das Büro des DOC - es schließt um 15 Uhr. Den Wanderweg durch den Wald finden wir allerdings auch alleine. Etwa eine Stunde geht es durch die Waldlandschaft, die doch ein bisschen an den Film "Herr der Ringe" erinnert, alles ziemlich duster, teilweise riecht es extrem modrig, über dem Weg bilden die Bäume ein undurchdringliches Dach. Mehrere dicke Baumstämme liegen quer über dem Weg, sie wurden einfach durchsägt und in der Breite des Weges entfernt. Einige Bäume wachsen quer über den Weg, alles ist mit Moos und Flechten übersät. Nach der Hälfte des Weges wird der Fluss überquert, anschließend geht es auf der anderen Seite der Straße wieder zurück zum Ausgangspunkt. Der Weg ist zwar etwas kurz, die einmalige Waldlandschaft und die Einsamkeit entschädigen jedoch die weite Anfahrt.